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Ölpreis

© Tsp

Ölpreis: Pumpen bis zum Schluss

Der hohe Ölpreis macht die Förderung in Deutschland wieder attraktiv. Trotzdem steigt in Europa die Abhängigkeit von Importen.

Neuerdings beschäftigen sich die Geologen des Hamburger Öl- und Gasförderkonzerns RWE Dea wieder stärker mit ihrer Heimatregion. In einem speziellen Kartenlabor suchen sie durch ihre 3-D-Brillen die Gesteinsstrukturen unter der Nordsee und einiger Regionen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein nach Öllagerstätten ab. „Der enorme Anstieg des Ölpreises macht es interessant, sich auch in Deutschland stärker nach neuen Fördermöglichkeiten umzusehen“, sagt Unternehmenssprecher Derek Mösche.

Zum Öl-Eldorado wird Deutschland durch mögliche Funde jedoch nicht. RWE Dea untersucht lediglich alte Felder noch einmal gründlich nach kleinen Schollen in der Umgebung ab. Die Chancen stünden nicht schlecht, sagt Mösche, dass etwa die jährliche Fördermenge der größten Bohrinsel Mittelplate in der Nordsee von zwei Millionen Tonnen länger stabil gehalten werde als noch vor einigen Jahren absehbar war. Der Anteil der in Deutschland geförderten Rohölmenge ist zuletzt auf mehr als drei Prozent gewachsen. Dies bliebe etwas länger eine geringe, aber verlässliche Größe, sagt Mösche. Auf lange Sicht dürften Deutschland wie auch ganz Europa aber stärker von Importen fossiler Brennstoffe wie Öl und Gas abhängig werden. Die Fördermenge von Erdöl in der EU sank nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe seit 2002 von 145 Millionen Tonnen auf 103.

„Die europäischen Ölreserven gehen eher zurück, als dass sie durch die Entdeckung neuer Vorräte noch steigen“, sagt Thomas Puls, Energieexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). „Es gibt kaum noch unerschlossene Quellen und auch Teersand oder Ölschiefer ist in Europa eher rar.“ Beim Gas sieht es nicht viel anders aus, wenngleich der Rückgang etwas langsamer ausfällt.

Europa gilt unter Experten als Region im fortgeschrittenen Förderstadium. „Die großen Elefanten wird man bei uns nicht mehr finden“, sagt Hartmut Pick vom Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung. Dennoch sei nicht sicher, ob der Förderhöhepunkt bereits auf Dauer überschritten ist. „Dass das Erdöl in Europa in absehbarer Zeit zur Neige geht, ist zu bezweifeln“, sagt auch Energiefachmann Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung. „Wir werden aber noch mehr importieren müssen.“ Weltweit werde die maximale Fördermenge erst im Jahr 2020 erreicht, sagt die Bundesanstalt für Geowissenschaften voraus.

Wie sicher der Fluss von Öl- und Gas nach Mitteleuropa dann noch ist, hängt immer stärker von den politischen Beziehungen zu den Exportnationen ab. Frondel erwartet, dass Russlands Rolle als Lieferant weiter wachsen wird. „Auf längere Sicht werden wir immer abhängiger von den Opec-Staaten, aber auch Kasachstan und Turkmenistan gewinnen an Bedeutung“, sagt der Ökonom Klaus-Jürgen Gern vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. „Die politischen Unsicherheiten nehmen zu.“

Immerhin liegt Europa bei einem künftig verschärften Wettstreit um die Ressourcen strategisch vorteilhaft. Sowohl Öl als auch Gas gelangen auch von anderen Kontinenten günstig per Pipeline in die Region, während sich etwa die USA teure Importe per Schiff leisten müssen. Die Nähe zum Verbraucher lässt auch die deutschen Ölförderer hoffen. „Wir treiben unsere Bohrungen weiter mit Nachdruck voran“, sagt RWE-Dea-Sprecher Mösche.

Doch die absehbare Knappheit hat auch disziplinierenden Charakter. „In Deutschland brauchen wir heute weniger Kraftstoffe und Rohöl, um ein größeres Bruttoinlandsprodukt zu erwirtschaften als noch vor einigen Jahren“, sagt IW-Mann Puls. Der Effekt zeigt schon messbare Wirkung: Von 1996 bis 2006 ging der Ölverbrauch in Deutschland um gut zehn Prozent zurück – obwohl die Wirtschaft um durchschnittlich 1,5 Prozent im Jahr wuchs.

Nils-Viktor Sorge

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