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Die erste Boeing 787-10 Dreamliner steht 2017 nach ihrem Jungfernflug auf dem Charleston International Airport in North Charleston (USA).

© dpa/Mic Smith

„Strukturelles Problem mit Sicherheitskultur“: Boeing-Ingenieur erhebt schwere Vorwürfe gegen US-Flugzeugbauer

Ein Whistleblower belastet den Konzern: Mängel in der Produktion des 787 Dreamliners seien über Jahre nicht abgestellt worden. Zudem sei er schikaniert worden. Boeing weist die Vorwürfe zurück.

Der US-Flugzeughersteller Boeing hat mit einer anhaltenden Pannenserie zu kämpfen, es geht auch um schwere Sicherheitsmängel bei den Maschinen. Jetzt erhebt ein Ingenieur des Konzerns schwere Anschuldigungen. Wie der „Spiegel“ berichtet, wirft Martin Bickeböller seinem Arbeitgeber vor, Mängel in der Produktion des 787 Dreamliner über Jahre nicht abgestellt zu haben.

Dem Bericht zufolge geht der deutschstämmige Fachmann nun über den Anwalt Elmar Giemulla an die Öffentlichkeit, nachdem er über Jahre intern und gegenüber der US-Aufsichtsbehörde FAA Beschwerden erhoben habe. Giemulla beklagt, dass sein Mandant schikaniert worden sei. 

Der Berliner Luftverkehrsrechts-Professor sagte, Boeing habe „ein strukturelles Problem“ mit der Sicherheitskultur. Unter anderem sollen Zehntausende Teile in der Frontsektion der Boeing 787 ohne Nachweis verbaut worden sein, dass sie auch den Eigenschaften in der Zulassung entsprechen.

Die FAA hatte die Erkenntnisse Bickeböllers dem Bericht zufolge mehrfach bestätigt, Boeing versprach, sie abzustellen. Doch dies sei, so Bickeböller in einem Hinweis an die FAA vom Januar 2024, nicht geschehen.

Boeing verfolgt eine klare Strategie, meinen Mandanten ruhigzustellen.

Elmar Giemulla, Anwalt von Martin Bickeböller

Luftfahrtexperten halten die Vorwürfe für bedeutsam. „Damit ein Flugzeug als lufttüchtig gilt, muss der Nachweis vollständig erbracht sein, dass es der Beschreibung in der Musterzulassung entspricht“, sagte Gerhard Hüttig, langjähriger Professor für Luftfahrttechnik an der Technischen Universität Berlin dem Blatt.

Boeing-Chef David Calhoun steht unter Druck. Er scheidet zum Jahresende aus.

© Imago/USA Today Network/Jack Gruber

Über seinen Anwalt wirft Bickeböller Boeing zudem vor, seine Karriere zerstört zu haben. Unter anderem sei ihm 2020 das Verfassen einer Masterarbeit, die ursprünglich genehmigt worden war, untersagt worden. Zuvor hatte er dem Bericht zufolge dem neuen Boeing-Chef David Calhoun eine E-Mail mit den Vorwürfen geschickt. „Boeing verfolgt eine klare Strategie, meinen Mandanten ruhigzustellen“, sagte Anwalt Giemulla dem Magazin.

Der Flugzeugbauer wies die Vorwürfe zurück: „Boeing behandelt alle Vorwürfe mit größter Ernsthaftigkeit und Rigorosität“, erklärte ein Sprecher dem Bericht zufolge. „Allerdings stammen viele Vorwürfe von Herrn Bickeböller aus der Vergangenheit, sie wurden sorgfältig untersucht und unter Aufsicht der FAA auch adressiert.“ Boeing habe beim Konfigurationsmanagement des 787-Programms korrigierende Maßnahmen ergriffen.

Boeing weist zudem den Vorwurf zurück, dass man Bickeböller schikaniert habe. „Keine Vergeltung wurde gegen den Angestellten ausgeübt“, sagt ein Sprecher. „Diese Praxis ist strikt verboten.“ Wer gegen sie verstoße, müsse mit Sanktionen rechnen. „Die Firma macht ihre Mitarbeiter auf ihren rechtlichen Schutz als Whistleblower aufmerksam.“

Der Konzern steckt schon seit den Abstürzen zweier 737-Max-Jets mit 346 Toten vor mehr als fünf Jahren in einer Dauerkrise. Als auf einem Flug von Alaska Airlines Anfang Januar 2024 schließlich ein Rumpfteil aus einer fast neuen 737-9 Max herausbrach, griff die US-Luftfahrtbehörde FAA durch. Zunächst durften Maschinen bis zu einer technischen Überprüfung nicht mehr starten. Zudem nimmt die Behörde die Produktions- und Kontrollprozesse unter die Lupe.

Am Montag leitete die FAA Ermittlungen gegen Boeing wegen Dokumentenfälschung „bei einigen 787 Dreamliner-Flugzeugen“ ein. Es bestehe der Verdacht, dass Mitarbeiter vorgeschriebene Kontrollen der Elektronik nicht oder nicht vollständig vorgenommen und die entsprechenden Berichte gefälscht hätten, teilte die Behörde mit.

Am Donnerstag gab es einen weiteren schweren Vorfall mit einer Boeing-Maschine. Sie kam auf dem Flughafen von Dakar von der Startbahn ab – mindestens elf Menschen an Bord wurden verletzt. Vier der Insassen erlitten schwere Verletzungen, wie der Betreiber des Airports LAS in der senegalesischen Hauptstadt der Agentur AFP zufolge mitteilte.

Der internationale Flughafen Blaise Diagne musste nach dem Vorfall demnach für fast zwölf Stunden geschlossen werden. Warum die Boeing 737/300 von der Rollbahn abkam, blieb zunächst unklar. (lem)

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