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Gut versorgt. Medizinische Versorgung in der Tierhaltung ist unerlässlich. Beim Einsatz von Antibiotika sollen es die Veterinäre jedoch zuweilen übertreiben.

© picture-alliance/ dpa

Antibiotika: Tierärzte weisen die Schuld von sich

Auch die Tierärzte wollen mehr Transparenz beim Einsatz von Antibiotika in den Ställen. Verkaufen wollen sie die Mittel aber weiterhin.

Berlin – Tierärzte wehren sich dagegen, für den massiven Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung allein verantwortlich gemacht zu werden. Man brauche einen „ganzheitlichen Ansatz“, um den Einsatz der Medikamente in der Massentierhaltung zu begrenzen, forderte der Präsident der Bundestierärztekammer, Theo Mantel, am Donnerstag in Berlin. Dabei müssten die „Produktionshygiene, die Haltungsbedingungen, die Haltungsstruktur und der Tierschutz“ berücksichtigt werden. „Nur der Tierhalter kann die Haltung ändern“, sagte Thomas große Beilage, Vorsitzender des Ausschusses für Arznei- und Futtermittelrecht der Kammer, und schob damit die Verantwortung von sich.

Umweltverbände werfen den Tierärzten vor, mit dem Verkauf von Antibiotika Geschäfte zu machen und deshalb die Mittel zu früh zu verordnen oder die Medikamente in zu großen Mengen an die Tierhalter abzugeben. Eine Studie aus Nordrhein-Westfalen hatte ergeben, dass 96 Prozent aller Masthähnchen Antibiotika bekommen, oft sogar mehrere Präparate. Was für die Geflügelmast gilt, ist jedoch auch in anderen Bereichen gang und gäbe, räumte große Beilage, der selbst praktizierender Tierarzt ist, ein. Auch bei Schweinen und bei Kälbern sei ein hoher Einsatz von Antibiotika üblich.

Anders als Humanmediziner dürfen Tierärzte Arzneien nicht nur verschreiben, sondern auch gleich verkaufen. Dabei bekommen große Praxen von den Herstellern erhebliche Rabatte. Diese könnten „bis zu einem Drittel“ betragen, sagte große Beilage. Bisher seien diese Einnahmen aber nötig, damit die Tierärzte wirtschaftlich über die Runden kommen.

Dennoch sieht auch die Tierärztekammer Handlungsbedarf. Sie ist für ein neues Gebührensystem und die Abschaffung der Mengenrabatte bei den Arzneien. Das Dispensierrecht – also das Recht, eine Art Tierapotheke zu führen – will sie aber erhalten. Sonst würden sich die Tierhalter ihre Medikamente im Internet oder auf dem Schwarzmarkt besorgen. Diese Warnung richtet sich an Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU), die über eine Abschaffung des Dispensierrechts nachdenkt. In ihrem aktuellen Gesetzentwurf plant Aigner jedoch zunächst nur weniger einschneidende Schritte – sie will die Regeln für die Anwendung und die Dosierung der Antibiotika verschärfen und die Überwachung durch die Veterinärämter verbessern. Nach Schätzungen der Arzneimittelhersteller hat die Antibiotikamenge in der Tierhaltung drastisch zugenommen. Nach rund 780 Tonnen im Jahr 2005 waren es demnach etwa 900 Tonnen im Jahr 2010. Allerdings ist auch die Zahl der gehaltenen Tiere gestiegen. Was im Stall passiert, wird bisher nicht zentral erfasst. Nur die Arzneimittel, die die Hersteller an Tierärzte abgeben, werden derzeit in einer Datenbank registriert, nicht aber der Medikamenteneinsatz. Aigner will den Veterinärämtern nun mehr Kontrollmöglichkeiten gegenüber den Tierärzten einräumen. Diese setzen stattdessen auf ein privatwirtschaftliches System. Im Internet sollen nach dem Vorschlag der Kammer Tierärzte und -halter den Medikamenteneinsatz dokumentieren, diese Daten sollen jedoch der Öffentlichkeit nicht zugänglich sein. „Wir wollen niemanden an den Pranger stellen“, sagte große Beilage.

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