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Auf Augenhöhe. Auch Seminare mit Greifvögeln gibt es

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Weiterbildung: Tierische Trainer

Von Lamas, Falken und Pferden können Führungskräfte und andere Berufstätige Sozialkompetenz lernen

Lamas spucken. Das fällt jedem auf Anhieb zu den wuscheligen Tieren aus den Anden ein. Was die meisten aber wohl nicht wissen: „Lamas spucken nur andere Lamas an und normalerweise keine Menschen. Das ist eine Art der Kommunikation untereinander. Sie tun es etwa, wenn sie um Futter oder den Rang innerhalb der Herde streiten“, sagt Andrea Eikelmann. Sie ist vom Bundesverband BDTV geprüfte Trainerin, Coach, Bauingenieurin – und sozusagen Lama-Expertin. Denn sie leitet Kurse, in denen Führungskräfte und andere Berufstätige etwas von den Lamas lernen sollen: „Es geht darum, auf Augenhöhe miteinander umzugehen, um Achtsamkeit, Wertschätzung, und darum Vorurteile abzubauen.“ Um Sozialkompetenz also. Denn darin sind Lamas anscheinend Meister. „Es kommt selten vor, dass sie tatsächlich spucken. Sie streiten sich nicht oft. Meistens strahlen sie eine selbstbewusste Ruhe aus. Menschen gegenüber bleiben sie zunächst auf Distanz, sind aber trotzdem neugierig. Anders als so mancher Mensch, der im Alltag oft Grenzen überschreitet, tun Lamas das nicht. Man kann also zum Beispiel von ihnen lernen, dass es angenehm ist, eine Distanz zu halten. Und dadurch, dass sie so groß sind wie wir Menschen, sind sie buchstäblich mit uns auf Augenhöhe.“ Vor allem aber geht es in den Seminaren der Firma Prachtlamas in Gelsenkirchen, für die Eikelmann arbeitet, um Stressbewältigung, darum bei einer Wanderung mit den Lamas zur Ruhe zu kommen und zu lernen, wie man entschleunigt.

„Das ist das Besondere an den Trainings mit Lamas und Alpakas gegenüber Seminaren mit anderen Tieren“, sagt Barbara Thiemann, ebenfalls Coach und Trainerin, die Seminare und so genanntes tiergestütztes Coaching mit Hunden und Pferden anbietet. Die Wirtschaftsjuristin hat zu dem Thema ihre Diplomarbeit geschrieben und ein Buch veröffentlicht: „Personalmanagement mit tierischen Impulsen – Tiergestützte Führungskräfteseminare in Deutschland“. Vor rund zehn Jahren seien solche Seminare erstmals angeboten worden. „Es hat mit Pferden angefangen. Dann kamen auch andere Tiere dazu: zuerst Esel, dann ging es mit Alpakas und Lamas weiter.“ Auch Seminare mit Wölfen und Greifvögeln werden angeboten .

Coachings und Seminare mit Tieren sind besonders nachhaltig

Aber egal welche Tierart: „Seminare und Coachings mit Tieren sind sehr nachhaltig. Weil es ein besonderes Erlebnis ist, das wirklich im Kopf bleibt“, sagt Thiemann. Gemeinsam mit ihren Tieren bietet sie in Hoppegarten bei Berlin nicht nur Seminare für Führungskräfte, sondern auch Bewerbungstrainings für Studenten der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) an. „Es geht darum, Stärken und Schwächen herauszufinden und zu sehen, dass man manchmal ganz andere Qualitäten hat, als man denkt. Die Teilnehmer lernen sich auf eine ganz neue Art kennen.“ Jinx und Mary heißen ihre beiden Pferde.

Viele Teilnehmer hätten ihr hinterher gesagt, dass sie die Situation mit den Pferden im Vorstellungsgespräch immer im Hinterkopf gehabt hätten. „Ich habe viel über mich selbst erfahren. Das Training mit den Pferden wird mich sicher auch nachhaltig in vielen Situationen unterstützen. Und sei es nur, um mir vorzustellen, dass mir statt dem Personalchef Jinx im Vorstellungsgespräch gegenüber sitzt. Dann wäre es, wie einem alten Bekannten gegenüber zu sitzen“, schrieb ein Teilnehmer Barbara Thiemann als Feedback auf ein Seminar. Ein anderer Teilnehmer hat Ähnliches erlebt: „Ich konnte ein Gefühl für mich entwickeln und dadurch an mir arbeiten, um selbstsicherer, zielorientierter und konsequenter in Erscheinung treten zu können.“ Gerade hat die Trainerin ein Teambuilding-Seminar für die Angestellten der Gemeinde Hoppegarten gegeben. „Aber hauptsächlich kommen Leute zu mir, die sich beruflich verändern wollen. “ Dann erzählt sie von einer Ärztin, die lernen wollte, sich durchzusetzen. „Sie ist ein sehr ruhiger Charakter. Es war eine große Herausforderung, ein so großes Tier wie ein Pferd zu führen.

Gelassen. Lamas bleiben zunächst auf Distanz, sind aber dennoch neugierig. Wanderungen mit ihnen sollen innere Ruhe bringen.

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Oft gehe es in den Seminaren darum, zu lernen, dass Emotionen, von denen man glaubt, dass sie sich nur im Inneren abspielen doch zu Reaktionen des Gegenüber führt. „Wird die Führungskraft im Umgang mit dem Pferd unsicher, wird es auch das Tier. Die Tiere reagieren unmittelbar. So hat der Teilnehmer sofort eine Reflexion“, sagt Barbara Thiemann. „Auf den Arbeitsalltag übertragen bedeutet das: Auch der Mitarbeiter wird unsicher.“

Die Seminarteilnehmer sollen am Anfang des Kurses zum Beispiel herausfinden, welches ihrer beiden Pferde der Anführer ist: Daran, dass die Stute Mary zuerst fressen darf, sieht man: Sie ist die Chefin. Der Wallach Jinx kommt erst als zweites an die Reihe. Die Teilnehmer lernen so, auf das Verhalten anderer zu achten und es wahrzunehmen.

Um Wahrnehmung geht es auch in den Seminaren von Jasmin Balzereit, die in Erwachsenenpädagogik promoviert und BWL mit Schwerpunkt Personalmanagement studiert hat. Ihr Hobby ist seit langem die Falknerei. Da lag es nahe, beides zu vereinen: Sie bringt Manager mit Greifvögeln zusammen – mit Adler, Bussard, Falke und Eule. „Flügel der Führungskräfte“ heißt ihr zweitägiges Seminar. „Im Tier hat man einen authentischen Trainingspartner, der ein schönes Feedback gibt und einen spiegelt“, sagt Jasmin Balzereit. In ihren Seminaren geht es um Fähigkeiten, die Manager im Berufsalltag gebrauchen können: Um den „Weitblick und Mut des Adlers“, die „Schnelligkeit und Wendigkeit des Falken“, die „Strategie und Ruhe der Eule“ und die „ Flexibilität und Kreativität des Bussards“. „Es geht darum, die Heterogenität unterschiedlicher Charaktere darstellen“, sagt sie. Die Teilnehmer sollen etwa lernen, die Verschiedenartigkeit von Adler und Eule zu beobachten – und die Beobachtung dann auf ihre Mitarbeiter zu übertragen.

Der praktische Teil des Seminars orientiert sich an den Inhalten einer Falknerausbildung, sagt Jasmin Balzereit. Schon beim Tragen des Vogels auf der Hand sei es wichtig, eine innere Ruhe zu vermitteln. „Sonst fliegt er weg. Und bei ungeschicktem Umgang schlagen Bussarde auch mal mit den Füßen.“ Beim so genannten Faustappell fliegen die Greifvögel von Faust zu Faust. „Die Teilnehmer sollen interagieren und die Tiere dazu bringen, auf dem Handschuh landen. Dazu müssen sie ein gewisses Vertrauen fassen, dass die Faust stabil ist. Und dazu muss der Mensch authentisch sein. Wenn er Angst hat und trotzdem großspurig sagt: ’Komm her Bussard, jetzt wird gelandet’ - dann merkt der Bussard das – und kommt nicht. Wer sagt: Ich will toll wirken und tolle Foto mitnehmen – bei dem klappt der Umgang mit den Herrschern der Lüfte nicht. Wir sehen immer nur die Handlung. Das Tier sieht den emotionalen Zustand.“

Sozialkompetenz rückt also in den Vordergrund: „Ein Greifvogel akzeptiert keinen Druck. Man kann ihm nicht einfach sagen: Ich bin dein Chef und du tust jetzt, was ich sage. Stattdessen muss der Manager auf Augenhöhe mit dem Tier arbeiten – so wie Falkner es seit Jahrtausenden tun.“ Nicht sie sagt den Managern, was sie falsch machen im Umgang mit Eule und Bussard. „Es sind immer die Tiere, die den Anstoß geben – und ein charmantes Feedback.“ Das findet sie nicht schlecht, denn Manager „die seit 20 bis 30 Jahren in Führungsjobs sind“, sind es oft nicht gewohnt, auf Fehler hingewiesen zu werden.

So helfen die Vögel den Menschen bei der Persönlichkeitsentwicklung. Im Seminar stellen sich die Teilnehmer etwa die Frage: „Wo stehe ich in der Entwicklung meiner Führungspersönlichkeit.“ Die Trainerin sagt: „Es geht darum, sich selbst über sein eigenes Profil bewusst zu werden.“ Damit das Seminare nachhaltig wirkt, bleibt Jasmin Balzereit auch danach weiter in Kontakt mit den Teilnehmern.

Die Seminare sind Teil eines Trends: Der Suche nach mehr Sinn im Beruf

Die Trainerin sagt, ihre Seminare seien Teil eines größeren Trends: „Menschen suchen immer mehr nach Werten und Sinnhaftigkeit. Firmen, die es schaffen, das zu bieten, haben im Kampf um gute Fachkräfte die Nase vorn. Wenn Führungskräfte und Mitarbeiter überzeugt sind, ihren Job mit Liebe und Engagement auszufüllen, können Sie auch Sinnhaftigkeit rüberbringen – das zu vermitteln ist das Krönchen meiner Seminare.“ Zu ihren Kursen gehört auch das Erlebnis in der Natur, Jasmin Balzereit unternimmt mit den Führungskräften „eine Achtsamkeitswanderung durch den Greifvogelpark Katharinenberg. Das soll Kontrapunkt zum Alltag der Teilnehmer sein – und auch zu klassischen Weiterbildungen im Seminarraum. Es geht darum, den Menschen mit allen Sinnen in ein anderes Setting zu bringen.“

Zu ihren Seminaren kommen vor allem männliche Manager: „Sie sind von vornherein beeindruckt von den Greifvögeln und lassen sich drauf ein.“ „Zugegeben, ich war kein großer Vogelfreund, doch lieferten mir die Tage mit den Greifvögeln starke Anker und lebendige Bilder auf die ich im beruflichen und privaten Alltag oft zurückgreife“, schreibt ein Teilnehmer, ein Geschäftsführer eines Telekommunikationsunternehmens der Trainerin als Feedback.

Bei den Lamas geht es hingegen nicht unbedingt darum, dass die Seminarteilnehmer von vornherein beeindruckt von den Tieren sind. Wer sich für ein Lamaseminar anmeldet, gehört zu jenen Menschen die mehr mit gelassenen Vegetariern als mit schreckhaften Raubvögeln anfangen können.

Die Inhalte ähneln den Seminaren mit Eulen oder Pferden aber doch. Um ein Lama bei einer Wanderung zu führen, muss der Mensch vorher „eine Vertrauensbasis schaffen, ein Mensch-Lama-Team bilden. Man kann Lamas nicht mal eben irgendwo hinziehen“, sagt Andrea Eikelmann. Unterwegs müssen Brücken und Straßen überquert werden. Hunde kommen entgegen – alles Situationen, in denen ein Lama trotz aller Gelassenheit schreckhaft reagieren kann. „Die Teilnehmer müssen den Lamas Sicherheit geben.“ Dann wird reflektiert, wie man solche Situationen auf den Arbeitsalltag übertragen kann – auf Teams, Mitarbeiter und Kollegen.

Die Seminare werden ergänzt durch Übungen in der so genannten Herzintelligenzmethode, ein Stressreduktionsprogramm, das aus Amerika stammt und dort „HeartMath“ heißt. „Das sind zum Beispiel kurze Atemübungen, die man auch mal eben am Schreibtisch machen kann oder in der U-Bahn – ganz ohne Lamas“, sagt Andrea Eikelmann. Für ihre Arbeit sei die Firma vor kurzem vom Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalens ausgezeichnet worden, sagt Andrea Eikelmann. Eins ist ihr ganz wichtig: „Wir sind kein Streichelzoo.“

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