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Wirtschaft: Ukraine will nach Gasstreit den Verbrauch drosseln

Mit Hilfe eines Zwischenhändlers steigen die Preise nicht ganz so stark – doch in dessen Umfeld wurde jüngst schon ermittelt

Moskau/Berlin - Russland und die Ukraine haben ihren Gas-Streit beigelegt, aber Zweifel an der zuverlässigen Versorgung Europas nicht völlig ausgeräumt. „Wir hoffen, dass die Unsicherheiten für die westeuropäische und deutsche Erdgasversorgung damit nicht nur für den Augenblick, sondern auch mittelfristig beseitigt sind“, sagte Burckhard Bergmann, der Vorstandschef des größten deutschen Gasimporteurs Eon Ruhrgas am Mittwoch in Berlin. Nachdem Russland der Ukraine am Neujahrstag den Gashahn abgedreht hatte, war es in Deutschland und anderen europäischen Staaten zu Lieferausfällen gekommen.

Die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken einigten sich auf eine komplexe Vereinbarung mit fünfjähriger Laufzeit. Die russische Gasprom verkauft ihr Gas künftig für 230 Dollar (195 Euro) pro 1000 Kubikmeter an den Zwischenhändler Rosukrenergo, wie Gasprom-Chef Alexej Miller in Moskau mitteilte. Die Firma, an der die Gasprom und die österreichische Raiffeisen Zentralbank (RZB) beteiligt sind, exportiert das russische Gas gemeinsam mit billigerem Gas aus Turkmenien, Kasachstan und Usbekistan zu einem Preis von 95 Dollar an die Ukraine. Gasprom verkauft künftig jährlich 17 Milliarden Kubikmeter Gas an den Zwischenhändler, zugleich kauft Rosukrenergo aber mehr als 40 Milliarden Kubikmeter günstigeres Gas aus Zentralasien dazu.

Rosukrenergo geriet im Sommer ins Visier ukrainischer Ermittler. Die „Financial Times“ berichtete, der ukrainische Sicherheitsdienst untersuche, ob der Moskauer Kriminelle Semyon Mogilevich an Rosukrenergo beteiligt sei. Er wird von der US-Bundespolizei wegen Betrugs gesucht und soll in einen Fall verwickelt sein, bei dem Anleger 150 Millionen Dollar verloren. Die Rosukrenergo AG, die im schweizerischen Zug registriert ist, war am Mittwoch nicht erreichbar.

Wie die Preisdifferenzen zwischen Russland, dem Zwischenhändler und der Ukraine überbrückt werden, blieb unklar. Die Ukraine will jedenfalls ihren Verbrauch drosseln. „Wir verbrauchen zu viel Gas“, sagte Ministerpräsident Juri Jechanurow in Kiew. „Wir werden alles tun, um den Gasverbrauch drastisch zu verringern, es war uns eine Lehre.“ Dazu müsse vor allem die Eisen- und Stahlindustrie des Landes modernisiert werden.

Gasprom und die ukrainische Gasgesellschaft Naftogas einigten sich zudem auf eine Erhöhung des Durchleitungspreises für russisches Gas, das durch Pipelines über die Ukraine in die Europäische Union geliefert wird. Gasprom zahlt nun künftig 1,65 Dollar statt 1,09 Dollar je 1000 Kubikmeter. Minderheitsaktionäre der vom Kreml kontrollierten Gasprom sprachen von einer undurchsichtigen Preisgestaltung. In Zukunft sollen aber alle Rechnungen in den Energiegeschäften beider Länder mit Geld bezahlt werden. Bisher waren Warentauschgeschäfte üblich. Die an der Londoner Börse gehandelten Gasprom-Aktien reagierten mit einem Plus von mehr als vier Prozent auf das Ende des Gas-Streits.

Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen Russland und der Ukraine will die deutsche Wintershall AG ihre Gasförderung in der Nordsee ausbauen. „Auch wenn die EU in zunehmendem Maße auf den Import von Erdgas aus Russland und Nordafrika angewiesen sein wird, gibt es vor allem in der Nordsee noch erhebliches Potenzial“, sagte Vorstandschef Reinier Zwitserloot in Kassel. Das Unternehmen werde daher seine Aktivitäten dort ausbauen und in den kommenden Jahren dafür mehrere Millionen Euro investieren. Wintershall ist der größte international tätige Erdöl- und Erdgasproduzent mit Sitz in Deutschland und eine 100-prozentige BASF-Tochter.

Rund die Hälfte des derzeit in Deutschland verbrauchten Erdgases stammt aus den Nordsee-Anrainerstaaten Norwegen, Niederlande, Dänemark und Großbritannien; 35 Prozent kommen aus Russland, 16 Prozent aus deutschen Quellen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sei zufrieden, dass Russland und die Ukraine ihre Zusagen über die Lieferung und Durchleitung des Erdgases nach Deutschland und Europa erfüllen wollten, sagte ein Regierungssprecher. Die EU-Kommission und der österreichische EU-Ratsvorsitz erklärten ebenfalls, Russland und die Ukraine hätten mit der Einigung eine rasche Antwort auf den Aufruf der EU zur Beilegung ihres Konflikts gegeben.

Bündnis 90/Die Grünen warnten aber vor einer Zunahme weltweiter Energiekonflikte. „Dies wird nicht die letzte Erdgas-Krise gewesen sein“, sagte der Energieexperte Hans-Josef Fell dieser Zeitung. Die energiepolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gudrun Kopp, unterstrich den Imageverlust für Gasprom. „Skepsis gegenüber Russland bleibt angebracht“, sagte sie. „Die Lehren aus diesem Machtpoker hat die Ukraine bereits gezogen, indem sie den Lieferanteil des russischen Gases um etwa 25 Prozent senkt und damit ihre Abhängigkeit vom Energielieferanten Russland verringert.“ Deutsche Energieversorger sollten sich an Pipelineprojekten in anderen europäischen Ländern und an Gas-Verflüssigungsanlagen beteiligen, forderte sie.

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