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Wissen: Arendt Oetker: Neue Studienplätze sind unterfinanziert

Der Präsident des Stifterverbandes fordert mehr Geld für den Hochschulpakt – und kündigt Unternehmerinitiative an

Das ist ungewöhnlich: Einer der führenden deutschen Unternehmer, Arendt Oetker, kritisiert seine Kollegen. Und das auf einem Forum der SPD-nahen Friedrich- Ebert-Stiftung. Oetker, der auch Präsident des Stifterverbandes ist, macht sich Sorgen um den Mangel an Fachkräften, der ab 2020 drohe. In den kommenden Jahren habe Deutschland die letzte Chance, aufgrund des Studentenbergs geeignete Fachkräfte selbst heranzubilden. Wenn dieses Ziel erreicht werden solle, müssten die staatlichen und privaten Aufwendungen für die Bildung enorm steigen – auf sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Leider betrieben gerade mittelständische Unternehmen keine vorsorgende Personalpolitik mit Blick auf die Hochschulen. Sie reagierten erst, wenn eine Mangelsituation eingetreten sei. Bereits heute fehlten 48 000 Ingenieure.

Stellt sich die Frage, ob der Hochschulpakt mit seinem Angebot, bis zum Jahre 2010 rund 91 000 neue Studienplätze bereitzustellen, Abhilfe schaffen kann. Berlins Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner, der den Pakt mit ausgehandelt hat, sieht in den 5500 Euro, die als jährliche Kosten angesetzt sind, eine solide Basis, um vor allem neue Studienplätze an den Fachhochschulen zu schaffen.

Mit dieser Einschätzung stand er ziemlich allein. Sowohl Oetker als auch die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, rechneten Zöllner vor, wie unterfinanziert der Hochschulpakt in Wirklichkeit sei. Wintermantel wies darauf hin, dass die echten Studienplatzkosten im Jahresdurchschnitt bei 7300 Euro lägen. Durch die Nachverhandlungen zum Hochschulpakt stehe inzwischen fest, dass in Wirklichkeit nur 4600 Euro pro neuen Studienplatz und Jahr zur Verfügung gestellt werden. Oetker verwies auf Durchschnittskosten von 7100 Euro, die die OECD für einen Studienplatz ansetzt. Die Unterfinanzierung in Deutschland führe dazu, dass die teuren Studienplätze in Medizin und den Ingenieur- und Naturwissenschaften an den Universitäten nicht ausgebaut würden. Gerade solche Absolventen aber brauche die Wirtschaft.

Aber es bleibt allein nicht bei der Unterfinanzierung. Die Umstellung so gut wie aller Studiengänge auf Bachelor und Master erfordere wegen ständiger, das Studium begleitender Prüfungen eine viel intensivere Betreuung der Studenten als früher. Nur dann könnten die Ziele der Bolognareform, das Studium zu verkürzen und die hohen Studienabbrecherquoten zu senken, erreicht werden, betonte Wintermantel. Der Mehraufwand für diese Betreuung werde vom Wissenschaftsrat auf 15 bis 25 Prozent der Studienplatzkosten geschätzt. Der Staat stellte dafür jedoch bisher kein Geld zur Verfügung.

Die sächsische Wissenschaftsministerin Eva Maria Stange wies auf ein weiteres Problem hin: Durch den Exzellenzwettbewerb in der Forschung werde die ganze Aufmerksamkeit auf die Forschung gelegt und die Lehre drohe ins Hintertreffen zu geraten. Daher sei ein Wettbewerb um die gute Lehre nötig. Gerade der Hochschulpakt zeige, dass die Finanzierung der Bildung nicht allein den Ländern überlassen werden dürfe. Wenn es um nationale Aufgaben gehe, müsse auch der Bund mitfinanzieren und mitgestalten.

Jürgen Zöllner erhofft sich von der Föderalismusreform II bei der Neuordnung der Finanzen eine parteiübergreifende Lösung: Der Investitionsbegriff dürfe nicht mehr auf Gebäude und Geräte oder Straßenbau beschränkt werden, sondern sollte sich an der Forschung als Zukunftsaufgabe orientieren. Dafür sei jedoch eine Änderung des Grundgesetzes notwendig. Über diese Idee werde derzeit parteiübergreifend nachgedacht.

Oetker kündigte an, dass sich die Wirtschaft demnächst über den BDI zur Bildungsfinanzierung grundsätzlich äußern wird. Oetker propagierte erneut die Idee, dass das Geld über Gutscheine den Studenten folgen solle, sofern sie von einem Land, in dem sie das Abitur abgelegt haben, in ein anderes Bundesland zum Studium wechseln. Diese Idee hatten bereits der Stifterverband, Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt und Jürgen Zöllner wärmstens empfohlen. Uwe Schlicht

Uwe Schlicht

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