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Die Bundeswehr unterstützt überlastete Gesundheitsämter mit Personal für die Nachverfolgung von Covid-19-Fällen und möglichen Ansteckungen.

© picture alliance/dpa

Überwachung des Infektionsgeschehens: RKI kommuniziert neue Kennzahl der Krankheitslast

Das Robert Koch-Institut erweitert seine Berichterstattung, um die Schwere der Erkrankungen an Covid-19 stärker zu gewichten.

Am Montag meldete das Robert Koch-Institut (RKI) 34.145 neue Fälle von Infektionen mit dem Coronavirus in Deutschland. Am Dienstag lag der Wert etwa beim Doppelten, über 74.000, und am Mittwoch meldete die Gesundheitsbehörde erstmals seit Beginn der Pandemie mehr als 100.000 binnen eines Tages übermittelte Infektionen: 112.323 neue Fälle.

Die Verdreifachung der Fallzahlen innerhalb von drei Tagen bildet aber nicht die Dynamik des tatsächlichen Infektionsgeschehens ab. Allein anhand dieser Entwicklung können keine Rückschlüsse auf die Gefährdungslage in Deutschland gezogen werden. Dazu will die Gesundheitsbehörde künftig in ihren donnerstags erscheinenden Wochenberichten einen neuen Wert kommunizieren.

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Die Tücken des „weiteren Verlaufs“

Diese geschätzte Inzidenz berücksichtigt, wie schwer Menschen erkranken. Sie soll auch im intensiven Infektionsgeschehen der Omikron-Welle als Orientierungsmarke dienen, wenn das Meldesystem oder die Laborkapazität für PCR-Tests auf die Virusvarianten an ihre Grenzen stoßen und nicht mehr alle Daten und Proben verarbeiten können.

Verzögerungen bei der Erfassung der Fälle und der Weiterleitung der Informationen an das RKI verzerren bereits das Bild, das die täglichen Fallzahlen ergeben. Der Meldeverzug am Wochenende lässt Montage als vergleichsweise infektionsarme Tage erscheinen. Das Virus macht aber kein Wochenende, die Infektionen schlagen in den folgenden Tagen zu Buche.

Dennoch sind die Zahlen erfasster Fälle aussagekräftig, nur ihre kurzzeitigen Änderungen sind es nicht. Mit Verbreitung der hoch ansteckenden Omikron-Variante in Deutschland nehmen sie rapide zu und erreichen Höchststände für den gesamten Pandemiezeittraum. Aktuell gibt es in Deutschland fast eine Million Infizierte. In drei von vier Fällen sind die Infektionen auf Omikron zurückzuführen.

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Das RKI schätzt die Gefährdung der Bevölkerung durch Covid-19 daher „insgesamt als sehr hoch“ ein. Der starke Anstieg der Zahl der Infektionsfälle könne „im weiteren Verlauf“ zur Überlastung des Gesundheitssystems und möglicherweise auch anderer Versorgungsbereiche führen.

Wie der „weitere Verlauf“ aussehen wird, versuchen Expertinnen, Entscheidungsträger und Medienschaffende unter anderem anhand der Inzidenz einzuschätzen. Dieser Wert besagt, wie viele Menschen von 100.000 in den letzten sieben Tagen erkrankten. Am Mittwoch lag er bundesweit bei 584, mit erheblichen Abweichungen unter den Bundesländern: fast 1300 in Bremen und 216 in Thüringen. Der bundesweite Wert hatte noch am Montag bei 528 gelegen.

Das RKI wies in einer Pressekonferenz am Mittwoch darauf hin, dass die kommunizierten Zahlen das Infektionsgeschehen jedoch nie voll erfassen. Das sei auch bei anderen meldepflichtigen Krankheiten so. Zunächst sind sich nicht alle Erkrankten ihrer Erkrankung bewusst und selbst symptomatisch Erkrankte  suchen nicht alle eine Arztpraxis auf. Ärzt:innen müssen die Krankheit richtig diagnostizieren und dann sämtliche Fälle weitermelden. Bei jedem dieser Schritte fallen Erkrankungsfälle durch das Raster.

Das RKI könne jedoch Informationen über den Verlauf des Infektionsgeschehens trotz einer gewissen Untererfassung für verschiedene Orte, bei Covid-19 etwa die Landkreise Deutschlands, Zeiten und Personengruppen wie unterschiedliche Altersgruppen gewinnen und die Trends des Infektionsgeschehens – „den weiteren Verlauf“ – gut abbilden.

Erfassung von Symptomgruppierungen

Bei stark ansteigenden Fallzahlen müssen Gesundheitsämter aber pro Tag mehr als 1000 Datensätze verarbeiten, was ihre Kapazität überschreiten kann. Pro Fall werden dann schlicht weniger Details aufgezeichnet. In dieser Situation, die derzeit wieder eintritt, gewinnen weitere Überwachungssysteme, die zum Beispiel wie Grippeweb und AG-Influenza-Sentinel für die Nachverfolgung von Grippewellen konzipiert wurden an Bedeutung, sagt das RKI. Sie können die Krankheitsschwere besser abbilden, die bestimmt, wie nahe etwa Krankenhäuser an ihre Überlastung geführt werden. Die Information, ob an einem bestimmten Tag 100.000 oder 110.000 Menschen erkranken und mehrheitlich einen leichten Verlauf haben, ist weniger ausschlaggebend als Informationen über die Zahl der Erkrankten, die intensivpflichtig wird.

Die syndromische Surveillance, die Nachverfolgung von symptomatischen Erkrankungen, Krankenhauseinweisungen und Todesfällen, zusammengenommen der Krankheitslast, erfasst Fälle unabhängig von Testergebnissen. Das heißt sie ist unspezifisch für verschiedene Erreger, diese Informationen können aber in zusätzlichen Schritten repräsentativ erhoben werden. Geografisch bietet sie ebenfalls weniger spezifische Informationen und auch zeitlich ist die Taktung gröber: Meist sind es Wochenauswertungen und nicht Tagesberichte. Für die Überwachung des Pandemieverlaufs ist die wöchentliche Entwicklung der Krankheitslast aber aussagekräftig.

In den Wochenberichten des RKI wird bereits der Anteil der Covid-19-Erkrankungen in den einzelnen Systemen der syndromischen Surveillance angegeben. Das RKI kann die Inzidenz symptomatischer Erkrankungen abschätzen und wird diese am Donnerstag erstmals im Wochenbericht kommunizieren.

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