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Bäume, die gefällt werden – wie hier auf der Freundschaftsinsel – werden in Potsdam nicht ausreichend ersetzt.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Enorme Kluft im Bestand: In Potsdam werden weitaus mehr Bäume gefällt als neu gepflanzt

In Potsdam werden mehr Bäume gefällt als nachgepflanzt. Nun will die Stadt reagieren: Mit 700 Pflanzungen bis Mitte Mai und einem Baumkataster.

In Potsdam werden mehr Bäume gefällt als nachgepflanzt. Das ergibt sich aus Antworten der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) und der Stadtverwaltung auf PNN-Anfragen. Demnach hat die Stadt zwischen Oktober und Februar 516 Baumfällungen genehmigt. Zugleich wurden bisher nur etwa 260 nachgepflanzt. Die SPSG hat in derselben Zeit zusätzlich 396 Bäume gefällt und bislang nur 87 ersetzt. Um eine Übersicht zu gewinnen, verspricht die Stadtverwaltung jetzt, ein Baumkataster einzurichten. Und: Bis Mitte Mai sollen 700 neue Bäume gepflanzt worden sein.

Damit reagiert die Stadt auf die Kritik von Umweltschützern: Die Naturschutzorganisation BUND etwa hatte Potsdamer bereits aufgerufen, selbst eine Übersicht über gefällte Bäume zu erstellen. Auch Andrea Becker, Mitarbeiterin im Landesbüro der Naturschutzverbände in Potsdam, kritisiert, dass seit Jahren kaum nachvollziehbar sei, wie sich der Baumbestand entwickle. „Vor allen Dingen, wann und wo es zu Ersatzpflanzungen kommt, ist unklar“, sagt sie.

Ebenso herrscht Unklarheit darüber, inwiefern die Ersatzpflanzungen gelingen: Weder über das Scheitern noch über die Wiederholungen von Pflanzungen hat die Stadt in den vergangenen drei Jahren Statistiken geführt. Das geht aus einer Antwort der Stadtverwaltung auf eine Anfrage der Fraktion Die Andere hervor. In welchem Umfang Ersatzpflanzungen, die gescheitert sind, ihrerseits ersetzt werden, blieb ebenso unklar.

Der Klimawandel ist nicht irgendwo – er ist hier.

Frank Kallensee, Sprecher der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten

Die Baumschäden – da sind sich Stadtverwaltung, SPSG und Naturschützer einig – liegen in den heißen Sommern und somit im Klimawandel begründet. „Seit 2018 sind die Schäden signifikant gestiegen – und ein Ende ist nicht absehbar“, sagt Frank Kallensee, Sprecher der Schlösserstiftung. Wenn Bäume durch die Dürre so stark beschädigt sind, dass sie eine Gefahr für Parkbesucher darstellen könnten, müssten sie gefällt werden. Zudem: „Durch die Auswirkungen des Klimawandels gehen leider mehr Bäume verloren, als sinnvoll nachgepflanzt werden können“, sagt Kallensee. „Der Klimawandel ist nicht irgendwo – er ist hier“, so der SPSG-Sprecher.

Im Park Babelsberg sind besonders viele Bäume gefällt worden.
Im Park Babelsberg sind besonders viele Bäume gefällt worden.

© Andreas Klaer

Die meisten Baumfällungen in den SPSG-Parks gab es von Oktober bis Februar im Park Babelsberg mit 155 Fällungen, gefolgt von Park Sanssouci (121) und dem Neuen Garten (120). Nachgepflanzt wurden 72 Bäume in Sanssouci, 10 im Neuen Garten und 5 im Park Babelsberg. Für Herbst 2023 ist die Pflanzung von 500 Eichen in Sanssouci geplant, auch in Babelsberg sollen dann weitere zehn Bäume gepflanzt werden. Die Pflege fordert die SPSG heraus, da der Boden ausgedörrt ist und Bäume teils durch Mitarbeiter mit Wasser versorgt werden müssen.

Der Regen reicht noch nicht einmal, das Niederschlagsdefizit des letzten Jahres auszugleichen.

Thilo Heinken, Biologe an der Universität Potsdam

Zum Winterende hat es in Potsdam zwar viel geregnet – soviel wie seit März 2000 nicht mehr – doch auch dies löst das Problem nicht: „Die letzten Monate waren tatsächlich überdurchschnittlich feucht, aber das reicht noch nicht einmal, das Niederschlagsdefizit von 2022 auszugleichen“, sagt Thilo Heinken, Biologe an der Universität Potsdam. Dass es mehr geregnet habe, sei zwar positiv. „Trotzdem muss noch von Wasserdefiziten im Unterboden ausgegangen werden“, so Heinken.

Nicht nur Wassermangel, auch Telefonleitungen erschweren Nachpflanzungen im Stadtgebiet: Das betrifft zum Beispiel die Geschwister-Scholl-Straße. Da Leitungen im Boden verlegt sind, bleibt unklar, ob alle gefällten Kastanienbäume ersetzt werden können. Das macht eine Antwort der Stadt auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion deutlich.

Ein weiteres Problem sei, dass Platz für neue Bäume rar gesät ist. „Beim Neubau wird nicht genug für Bäume mitgedacht“, so Naturschützerin Becker. „Man müsste Grünflächen von vornherein mit einplanen – auch wenn das im dichtbebauten Stadtgebiet schwierig ist“, sagt sie.

Grüne und Andere kritisieren Stadtverwaltung

Lutz Boede von der Stadtverordneten-Fraktion Die Andere fordert von der Stadt eine neue Strategie, um Ersatzpflanzungen zu erhalten: Private Grundstücksbesitzer sollten nicht in Eigenregie pflanzen, stattdessen sollte man verstärkt auf Ausgleichszahlungen für gefällte Bäume setzen. „Dann hätte man die Mittel für Pflanzungen selber in der Hand“, so Boede.

Die Stadtverwaltung widerspricht: Private Grundstücke würden nur den geringeren Anteil des Baumbestands betreffen, teilt Sprecher Markus Klier mit. Zudem würden bereits regelmäßig Ausgleichszahlungen nötig, weil ein Altbaum meist durch mehrere Ersatzbäume kompensiert werden müsse und dafür oft der Platz fehle. „Diese Mittel werden dann für Pflanzungen auf öffentlichen Grundstücken verwendet“, so Klier.

Auch die Grünen sind unzufrieden mit der Entwicklung des Baumbestands: „Die Stadt hinkt mit den Nachpflanzungen hinterher“, sagt Gert Zöller, Vorsitzender der Stadtfraktion der Grünen. 2020 hat die Stadtverordnetenversammlung auf Antrag der Grünen-Fraktion ein 1000-Bäume-Programm beschlossen. Das Vorhaben wurde aus Kostengründen vertagt, erst im Winter 2022 sind die ersten Bäume gepflanzt worden.

Zöller kritisiert, dass das Programm nicht in den ersten Entwurf zum Doppelhaushalt 2023/24 aufgenommen wurde. „Es wird Ziel der anstehenden Verhandlungen sein, dies zu ändern“, sagt er. 350 neue Pflanzungen pro Jahr müssten mindestens geleistet werden, findet er. „Es muss mehr und schneller gepflanzt werden, und zwar nicht nur aus den Mitteln für Ausgleichsmaßnahmen, sondern auch aus zusätzlichen Eigenmitteln der Stadt“, so Zöller.

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