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Prähistorische Zuwanderung nach Europa: Neandertalers neue Nachbarn

Neandertaler haben Spuren im Erbgut moderner Menschen hinterlassen. Forschende grenzen ein, wann es dazu gekommen sein könnte.

Wie genau die Begegnungen abliefen, ist nicht überliefert und wird noch lange Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen sein. Dass sich die beiden Menschenarten Homo neanderthalensis und der modernere Zuwanderer aus Afrika Homo sapiens nicht nur begegneten, sondern auch gemeinsame Nachkommen hervorbrachten, belegen Neandertalergene in unserem Erbgut.

Fossilfunde aus Europa lassen darauf schließen, dass Neandertaler und moderne Menschen über fünf bis sechs Jahrtausende gleiche Regionen in Europa bewohnten. Ein Forschungsteam um Igor Djakovic von der Universität Leiden in den Niederlanden berichtet jedoch nun im Fachjournal „Nature Scientific Reports“, dass die Neandertaler nur eine deutlich kürzere Zeit vor ihrem Verschwinden neben dem modernen Menschen existierten.

„Es ist tatsächlich unwahrscheinlich, dass wir jemals das erste oder letzte Auftreten einer Art oder kulturellen Tradition in archäologischen und fossilen Funden identifizieren werden“, schreibt das Forschungsteam. Dafür sind die Funde einfach zu selten, die damit abgedeckten Zeiträume zu lückenhaft. Mit der aktuellen Untersuchung versuchten die Wissenschaftler:innen jedoch, den Zeitraum einzugrenzen, in dem moderne Menschen und Neandertaler in gleichen Gebieten lebten und Gene und vielleicht auch handwerkliche Fähigkeiten voneinander übernehmen konnten.

41.000
Jahre sind vergangen, seit die letzten Neandertaler in Südwesteuropa lebten.

Ein Beispiel sind Steinklingen (siehe Foto). In der Region des heutigen Frankreichs und Nordspaniens wurden Klingen gefunden, die zwar den letzten dort lebenden Neandertalern zugeschrieben werden, die aber eher untypisch für die Steinwerkzeuge dieser Menschen sind. Die spezielle und standardisierte Technik zur Herstellung der Fundstücke war für diese Menschen neu und könnte von Homo sapiens übernommen worden sein.

Djakovic und seine Kolleg:innen bestimmten das Alter von je 28 Fundstücken von Neandertalern und modernen Menschen von insgesamt 17 Fundorten mit der Radiokarbonmethode, mit der Messwerte in das Alter der Proben umgerechnet werden können. Die Zeitpunkte des ersten Auftretens von Homo sapiens und des Verschwindens von Homo neanderthalensis in Frankreich und Nordspanien grenzten sie mit statistischen Modellberechnungen ein. Das Aussterben der Neandertaler in der Region datierten sie zudem direkt anhand der jüngsten fossilen Überreste.

Auf Grundlage der Modellierung schätzt das Forschungsteam, dass die ersten Neandertaler-Werkzeuge in der Region vor knapp 45.000 Jahren und die letzten vor knapp 40.000 Jahren angefertigt wurden. Die Neandertalerfossilien deuteten auf ihr Aussterben vor knapp 41.000 Jahren. Den modernen Menschen weisen sie in der Region erstmals vor mehr als 42.000 Jahren nach.

Demnach koexistierten die beiden Menschenarten in dieser Region über einen Zeitraum von 1400 bis 2900 Jahren. Ob die Koexistenz eine friedliche war, ist anhand der Ergebnisse nicht zu beurteilen. „Ob direkte Interaktionen stattfanden, muss jedoch noch geklärt werden“, schreiben die Wissenschaftler:innen.

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